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Harju-Risti: Kirchlicher Partner im baltischen Norden

24.07.2016Aktuelles
Harju-Risti: Kirchlicher Partner im baltischen Norden

In der "Alten Schule" wird Wohnraum für Senioren und Flüchtlingsfamilien entstehen. Fotos: Henze

Sehestedt/Harju-Risti (whe) – Bereits seit mehr als zwanzig Jahren hat die Kirchengemeinde St. Peter und Paul einen Partner in der estnischen Kirchengemeinde Harju-Risti gefunden. Ganz im Norden der baltischen Republik gelegen besticht diese Partner-Gemeinde nicht nur durch eine außergewöhnliche Kirche, sondern darüber hinaus auch durch ein ungewöhnliches seelsorgerisches und soziales Engagement, das sich eng mit Pastorin Annika Laats verbindet. Den Kontakt zur Partnergemeinde hält in Sehestedt Renate Ahlmann, die bereits einige Male in Harju-Risti zu Gast war. In dieser Woche besuchte sehestedt.de-Redakteur Wolfgang Henze die Kirchengemeinde in Estland, hier sein Bericht.

 

Über schöne Landstraßen und meist durch herrliche Natur führt der Weg von der estnischen Hauptstadt Tallinn über Keila, Vasalemma und Padise knapp 60 Kilometer Richtung West nach Harju-Risti. Im Zentrum des kleinen Orts steht die Kirche, die bereits im Jahr 1330 als Kapelle des Klosters von Padise erbaut worden ist. Mehrfach wurde sie in bewaffneten Konflikten, aber auch durch Natureinflüsse – sie steht auf unsicherem Grund –  beschädigt, aber immer wieder neu aufgebaut oder restauriert. Altar, Gestühl und Kanzel stammen aus dem 15. Jahrhundert, die Glocke ist die älteste Kirchenglocke in Estland und stammt aus dem 14. Jahrhundert.

 

13. Jahrhundert: Die Kirche von Harju-Risti.
13. Jahrhundert: Die Kirche von Harju-Risti.

 

60 Kilometer sind es bis Tallinn, eine Strecke, die zwei Mal in der Woche von Annika Laats zurückgelegt wird, denn die Pastorin der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde von Harju-Risti ist auch Krankenhausseelsorgerin in Tallinn, kümmert sich dort vor allem um demente Menschen, und um Menschen, die im Hospiz des diakonischen Krankenhauses ihre letzten Lebenstage verbringen.

 

Altar und Kanzel whe_bearbeitet-1of
Altar und Kanzel stammen aus dem 15. Jahrhundert.

 

„Rund 600 bis 700 Seelen gehören zu meiner Gemeinde“, erzählt Pastorin Laats, eine Zahl die letztlich geschätzt werden muss, da zum einen keine Unterlagen aus Sowjetzeiten in Estland existieren und zum anderen Kirchenbeiträge ausschließlich freiwillig entrichtet werden. Etwa 300 Erwachsene würden Kirchenbeiträge für sich und ihre Angehörigen zahlen, wobei der Einzugsbereich der Kirchengemeinde gewaltig ist, und bis nach Saue – also vor die Tore Tallinns – reicht. Als großen Erfolg wertet Pastorin Laats die wachsende Zahl der Taufen von Kindern, etwa zehn bis 15 pro Jahr, deren Eltern und Großeltern ungetauft sind.

Neben der seelsorgerischen Arbeit und den Gottesdiensten liegen die Schwerpunkte der Gemeinde-Arbeit in den Kinder- und Jugendgruppen, aber auch in Gruppenreisen und vielen Gemeinschaftsveranstaltungen.

 

Bestattung eines "ungeborenen" Menschen auf dem Friedhof von Harju-Risti.
Bestattung eines „ungeborenen“ Menschen auf dem Friedhof von Harju-Risti.

 

Annika Laats im Patientengespräch wheof
Annika Laats ist auch als Seelsorgerin im Diakonie-Krankenhaus von Tallinn tätig.

 

Die Kirche von Harju-Risti zieht an. So wird sie auch von vielen Touristen angesteuert, die einfach die Kirche besichtigen wollen, was täglich unter sachkundiger Begleitung möglich ist. Etwas ganz besonderes bietet auch der Friedhof. Denn der hat einen eigenen und in Estland einmaligen Bereich, der Bestattungen von „Ungeborenen“, also totgeborenen Kindern gewidmet ist. Annika Laats bestattet dort aber nicht nur, sondern trifft sich zwei Mal im Jahr mit Elternpaaren, die ihre Kinder dort haben beerdigen lassen. „Diese Treffen sind ganz wichtig und die Elternpaare kommen dazu aus ganz Estland angereist“, erläutert Pastorin Laats.

 

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Das Pastorat bietet auch einige Gästezimmer.

 

Einige Gästezimmer im Pastorat ermögliche schließlich auch Übernachtungen in der Kirchengemeinde von Harju-Risti, ein Angebot das vermehrt auch angenommen wird. Gästezimmer ist ein gutes Stichwort, denn Annika Laats treibt seit einigen Jahren ein weiteres Projekt voran, das ihr sehr am Herzen liegt. Weit verstreut leben in der Region rund um Harju-Risti viele ältere Menschen, oft sogar ohne fließendes Wasser oder moderne Heizungen in maroden und kleinen Häusern. Für diese Menschen will sie eine Seniorenunterkunft in der „Alten Schule“ errichten, ein Gebäude, das die Kirchengemeinde als Entschädigung für das einst zerstörte Pastorat vom Staat erhalten hat.

 

Annika Laats und whe whe_bearbeitet-1of
Sehestedt.de-Redakteur Wolfgang Henze besuchte Pastorin Annika Laats in der Sehestedter-Partnerkirchengemeinde Harju-Risti.

Dort ensteht zurzeit aus öffentlichen Finanzmitteln die erste Wohnung, die in den nächsten Jahren von einer Flüchtlingsfamilie bewohnt werden wird. Rund 20.000 Euro jeweils kostet der Bau weiterer Wohnungen in dem großen Gebäude und, so sagt die Pastorin: „Immer wenn wir die zusammen haben bauen wir die nächste kleine Wohnung für Senioren aus.“ Finanzielle Hilfen oder öffentliche Unterstützung ist natürlich jederzeit willkommen. Wolfgang Henze

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